Die Anforderungen des Business an die ERP-Systeme steigen.
Ob die aktuell betriebenen Anwendungen den neuen Herausforderungen gewachsen sind, bezweifeln Experten.
Moderne Unternehmen haben ihre Prozesse im Griff und ihre IT-Architektur strikt an den Geschäftszielen ausgerichtet. Moderne Unternehmen sind in der Lage, mit Hilfe einer flexiblen IT ihre Geschäftsabläufe je nach Marktanforderung schnell zu verändern und neu zu justieren. Moderne Unternehmen können auf Basis von einfach anpassbaren IT-Lösungen jeden Grad an Komplexität im täglichen Business meistern.
So weit die Theorie vom agilen Unternehmen oder Enterprise 2.0, die Wirtschaftsexperten, Berater und Analysten seit Jahren predigen. Wie ein agiles und flexibles Unternehmen funktionieren sollte, ist im Grunde bekannt, genauso wie die zugrunde liegenden Zusammenhänge zwischen Business und IT. Doch die Realität sieht anders aus. Das hat man spätestens im zurückliegenden Krisenjahr gesehen, als viele Firmen gezwungen waren, ihr Geschäftsmodell, ihre Prozesse und ihre interne Organisation auf den Prüfstand zu stellen. Ein geordnetes "Change Management" beziehungsweise eine "Business Transformation", wie es im guten Beraterdeutsch heißt, gelang den wenigsten Firmen. Im Gegenteil: Panikreaktionen und Aktionismus bestimmten das Handeln und die Strategie vieler Firmenlenker.
Die Herausforderungen an ERP-Systeme
"Firmen müssen heute schnell auf Herausforderungen in ihrem Geschäftsumfeld reagieren können", sagt Axel Schoth, verantwortlich für das ERP Innovation Lab am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). Für die Unternehmen werde es immer schwieriger, sich im Markt von ihren Wettbewerbern zu differenzieren. Dabei gehe es längst nicht mehr allein um die Produkte. Auch Dienstleistungen und Services spielten im Portfolio-Mix eine immer wichtigere Rolle. "Das wirkt sich auf die IT-Systeme aus", so der Softwareexperte. ERP müsse eng an den Prozessen sein und sich schnell an Veränderungen anpassen lassen.
"Die Herausforderungen für die Firmen steigen", beobachtet auch Markus Heinen, Leiter der Management-Beratung bei Ernst & Young Advisory Services. Speziell die Wirtschaftskrise habe dazu geführt, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell und ihre Geschäftsprozesse im Grunde laufend hinterfragen müssten. Die Organisationen seien zunehmend gezwungen, sich ständig neu zu justieren und immer wieder neu zu erfinden. "Die Dynamik ist mittlerweile extrem stark", sagt Heinen. "Die in den vergangenen Jahren viel beschworene Globalisierung ist angekommen - bei den Konzernen, aber auch im Mittelstand."
Darüber hinaus stehen die Firmen heute vor der Herausforderung, Organisation und Prozesse auf neues Wachstum zu trimmen, berichtet Martin Arnoldy, SAP- und ERP-Experte in IBMs Beratungssparte Global Business Services. Viele Unternehmen seien davon überrascht worden, wie schnell die Wirtschaft wieder anzieht. Haben die Verantwortlichen in der Krise hauptsächlich die Kosten im Blick gehabt, gehe es jetzt vor allem darum, die Geschäftsprozesse für die laufende Wachstumsphase richtig zu unterstützen. "Das muss vor allem jetzt schnell passieren", sagt Arnoldy.
CEOs fürchten wachsende Komplexität
IBM untersucht alle zwei Jahre im Rahmen der "Global CEO Study", vor welchen Herausforderungen Unternehmen weltweit stehen. Ende 2009 und Anfang 2010 wurden insgesamt über 1500 Geschäftsführer befragt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:
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Sechs von zehn CEOs erklärten, die Wirtschaftswelt sei wesentlich komplexer geworden. Fast 80 Prozent der Firmenchefs gehen davon aus, dass dieser Trend anhalten wird.
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Weniger als die Hälfte der befragten CEOs hat einen konkreten Plan, wie ihr Unternehmen mit der zunehmenden Komplexität des Geschäfts umgehen sollte.
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Die Bereitschaft, die operative Strategie zu vereinfachen, liegt in wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen um 30 Prozent über dem Durchschnitt.
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Unter den externen Faktoren, von denen sich Unternehmen beeinflussen lassen, haben technische Faktoren mit 39 Prozent der Nennungen an Gewicht gewonnen. 2004 waren es 33 Prozent.
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Die wichtigsten Führungsqualitäten werden aus Sicht der CEOs in Zukunft Kreativität (60 Prozent), Integrität (52 Prozent) und globales Denken (35 Prozent) sein.
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In erfolgreicheren Unternehmen ist die Bereitschaft, schnelle Entscheidungen zu treffen, um 54 Prozent höher als im Durchschnitt. Dafür nehmen die CEOs auch einen Rest Ungewissheit in Kauf.
Für 88 Prozent der befragten CEOs besitzt Kundennähe die höchste Priorität. Dabei geht es nicht nur darum, den Kundenkontakt zu pflegen, sondern auch ständig neu zu lernen, wie sich die Kundenbeziehung weiter festigen lässt. 82 Prozent glauben, dass die Kunden in den nächsten Jahren ein besseres Verständnis ihrer Bedürfnisse fordern werden.
Die ERP-Anforderungen
"Die ständigen Geschäftsmodellanpassungen erfordern eine hohe Flexibilität im ERP-System", folgert Ernst-&-Young-Partner Heinen. Business-Anwendungen müssten sich zügig anpassen lassen. ERP-Hersteller und Anwender sollten daher das Thema Agilität stärker in den Vordergrund rücken. Es gehe darum, die Softwarelösungen zu dynamisieren und anpassbarer zu machen. Heinen nennt in diesem Zusammenhang Stichworte wie "Enterprise 2.0" oder "Agile Enterprise". Diese Schlagworte verblassten jedoch schnell, wenn die Unternehmen nicht in der Lage seien, die dahinterstehenden Ideen in ihren Softwaresystemen abzubilden.
Beispielsweise müssten Unternehmen heute ihre Mitarbeiter, Abteilungen, Niederlassungen und Geschäftsbereiche intern viel stärker miteinander vernetzen, aber auch extern Partner und Kunden in das firmeneigene Ökosystem einbinden. Eine Integration mit vielen unterschiedlichen Schnittstellen sei jedoch falsch, warnt Heinen. Das schaffe Abhängigkeiten, sei nur schwer zu verwalten und erhöhe drastisch die Komplexität. Die Unternehmen benötigten vielmehr dynamische Systeme, die es erlaubten, diese Verbindungen schnell und flexibel aufzubauen und auch wieder zu entflechten.
Die ERP-Systeme steckten in einem Spannungsfeld, ergänzt Jan-Henning Krumme, ERP-Experte von Accenture. Angesichts der weiter anhaltenden Konsolidierung in einigen Branchen sowie der noch nicht abgeschlossenen Globalisierung müssten die Firmen ihre Integrationsanstrengungen verstärken. Für die erforderliche Konsolidierung böten sich im Grunde zentrale ERP-Monolithen an. Auf der anderen Seite wachse jedoch der Bedarf, Prozesse schnell und flexibel ändern zu können. Zwei Ansprüche, die sich nur schwer unter einen Hut bekommen lassen - ein ERP-Dilemma.
Analysten zu ERP on Demand
Die Experten sind sich einig darüber, dass Software as a Service den ERP-Markt verändern wird. Wann und wie das geschieht, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen:
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SaaS ist nicht aufzuhalten, sagt IDC-Analyst Rüdiger Spies. Allerdings wird das neue Bezugsmodell ausgebremst, beispielswiese durch die IT-Abteilungen, die um ihre Jobs fürchten, oder durch IT-Systemhäuser, die ihren ERP-Markt mit Projekt- und Betreuungsgeschäft bedroht sehen. Auch für die etablierten Softwareanbieter sei der Umstieg aufgrund fehlender Erfahrung nicht trivial. Spies geht zunächst von Mischmodellen aus - bei Anwendern wie Anbietern: "Der Hybridansatz ist ein smarter Weg."
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Gartner geht davon aus, dass die weltweiten Umsätze für Software as a Service im Enterprise-Application-Software-Markt im laufenden Jahr bei etwa 8,5 Milliarden Dollar liegen werden. Das entspricht einem